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Rauhnächte

Zum Thema Rauhnächte fallen mir gleich zwei wunderbare Kindheitserinnerungen ein, die ich dem geneigten Leser/Leserin jetzt einfach aufs Aug' drücke:

Zum einen meine B - Familie mit kommunistischem Background, die zu Weihnachten zu Ultra-Katholiken mutierte, aber einfach nicht in der Lage war, es wirklich durchzuziehen. Ein Beispiel: Unbedingt Ausräuchern gehen, bevor Opa (der ja schon alt ist und vor dem Zimmer, wo der Christbaum sich vermeintlich befindet, warten musste), während wir im Keller umher hirschten und ein Gebet nach dem anderen begannen und nach der ersten Strophe zum nächsten wechselten, da wir nicht einmal diese schafften, bis endlich das Glöckchen des Christkindes läutete und meine Schwester und ich "befreit" waren und über die Stufen in den oberen Stock flitzen durften. Aja: Das Prozedere mit: Wir singen etwas... aber wiederum nur die erste Strophe, denn ab da bröselte es mit der Textsicherheit.... vollzog sich auch vorm Christbaum. Meine Schwester hat sich 2019 Weihnachten wie in der Kindheit gewünscht und ich habe ihr mit Freuden dies erfüllt. Ich bin mit ihr - und über den Kopfhörern den zuvor aufgenommenen strudelnden Gebeten lauschend - im Keller ausräuchern gegangen und dann unser jährliches Prozedere vor dem Christbaum "singend", durchgegangen. Eh klar, dass ich mit B-Oma sehr viel Ähnlichkeit auf der Aufnahme hatte: Wir konnten bzw. können beide nicht einmal ansatzweise singen! Der erlösende Satz nach einem verhuntzten Erste-Strophe-Stille Nacht: Jetzt packen wir Geschenke aus! belustigte nicht nur meine Schwester sehr. Sie fühlte sich doch, umgeben mit unserem DDR Kripperl, diversen wieder gesuchten und gefundenen Accessoires und meiner zauberhaften, an B-Oma erinnernden Aufnahmen, wieder in unsere Kindheit versetzt.
Ein Einschärfen meiner B-Oma: In den Rauhnächten darf keine Wäsche auf der Wäscheleine hängen, war sicherlich für meine Mutter ein wenig schwierig. Aber darauf bestand Oma vehement! Und das, obwohl sie nicht einmal bei uns wohnte....

Naja und die zweite Episode, die ich unbedingt mit Rauhnächte verbinde, ist meine H-Oma, die mit großer Freude, ganz uralte Geistergeschichten erzählte. Sonst aber keine anderen. Also: Vergiss Märchen oder liebe Episoden! Wenn sie was erzählte, dann gleich auf die ganz erschreckende Art, wo in Rauhnächten, die Tiere mit den Menschen sprachen. Und ich kann mich nur noch an den uns immer fast zu Tode versetzenden Satz erinnern: Wer hat mir mein Lumpi, mei Leber gestohlen! Dabei der kleine Hinweis: Ich hatte nie eine Ahnung was Lumpi ist. Da von einem meiner Onkel die Verniedlichung des Nachnames dieses Wort und somit als Kosename gebraucht wurde, war ich immer einigermaßen verwirrt. Lustigerweise habe ich im Lexikon für Dialektausdrücke in der Gegend Ostarrichi -und wir in Euratsfeld gehören ja als Kern dazu - zwei Hinweise gefunden, was Lumpi eigentlich früher geheißen hat. Naja, eigenartigerweise gibt es dafür zwei ziemlich konträre Einträge: Zum einen bedeutet es ein freches, lustiges Tier oder Kind und zum anderen ein männliches Glied. Also, jetzt kann man es sich aussuchen, was Oma da so erschreckend erzählte.

Dass meine H-Oma dabei ihren größten Spaß hatte, ist mir jetzt als Erwachsener klar, aber als Kind waren ihre Geschichten immer nur extrem zum Fürchten.

 

Na gut, also die Conclusio meiner Kindheit: Rauhnächte sind rund um Weihnachten und Neujahr, es darf keine Wäsche hängen, es muss ausgeräuchert werden und die Tiere sprechen mit Menschen.

Woher kommt die Bezeichnung Rauhnacht?

Hmm da sind wir schon wieder bei altem Volksglauben, die aber regional unterschiedlich sind. Bis zu 12 Nächte werden rund um Weihnachten und Neujahr "gefeiert". Woher der Name stammt, ist ja auch schon wieder fraglich. Bitte nicht auf den esoterischen Internetseiten sich informieren, denn dort ist soviel Schmafu und Schmonzes, dass es einem schon wehtut, wenn man teilweise nur die Überschriften liest.

 

Jedenfalls kann der Begriff von rauh = wild, genauso wie vom Brauch des Ausräucherns und damit vom mittelalterlichen Wort ruch kommen. Jedenfalls sind in diesen Nächten die Dämonen unterwegs und treiben ihr Unwesen. Das mittelhochdeutsche Wort ruh bezeichnet auch Pelziges und somit wären ja wieder die Dämonen im Spiel.

Verschiedene Quellen beschreiben den Ursprung der Rauhnächte im germanischen und keltischen Brauchtum, da diese so die Differenz zwischen Kalenderjahr und Mondjahr mit dem Einschub ausglichen. 11 Tage und somit 12 Nächte waren nötig, um wieder bei beiden synchron zu laufen. Diese Nächte waren somit nicht "existent" und bedeuteten, dass diese ein Tor zu anderen Welt sind.

Die wichtigsten vier

20. / 21.  Dezember: Hl. Thomas

Die Thomasnacht vom 20. auf den 21.  ist die längste Nacht des Jahres und fällt  mit der Wintersonnenwende zusammen, die am 21 oder 22. Dezember stattfindet.  Der 21. Dezember war bis ungefähr 1970 der Gedenktag des Apostel Thomas. "Der ungläubige Thomas" war nicht von der Auferstehung Christi überzeugt, bis er seine Hand in die Wundmale legte. Aber ab da hatte er es begriffen.

Dieser Tag wird nun aber im Ritus der katholischen Kirche nicht mehr gefeiert. Jedoch haben sich in verschiedenen Regionen genau für diese Nacht verschiedene Traditionen, Handlungen und Verknüpfungen herausgebildet.

24. / 25. Dezember: Christnacht

Was in dieser Nacht geschah, braucht man ja auch Nicht-Katholiken nicht erklären. Das bekommt ein jeder mit: Tatarata: Der  25. Dezember ist  der Christtag, da das kleine Jesuskind in der Nacht aus Maria geschlüpft ist. Es wird auch Geburt des Herrn (lat Sollemnitas in nativitate Domini) genannt.

Oft wurden sogenannte Vigilen (lat. von Vigil = Nachtwache) abgehalten und aus Psalmen und Texten vorgelesen und es war somit eine nächtliche Gebetswache.

31. Dezember / 1. Jänner: Silvesternacht

Diese Nacht wird auch Altjahrestag genannt und ist nach dem Heiligen Papst Silvester I benannt, der am 31. Dezember 355 in Rom verstorben ist. Der Silvester ist ein interessanter Heiliger, da er Kaiser Konstantin angeblich vom Aussatz befreit haben soll. Mit der sogenannten Konstantinischen Schenkung erhielt die katholische Kirche das  Patrimonium Petri und somit den Kirchenstaat (Das Gebiet des Vatikan in seiner wechselnden Form und Ausdehnung). Dass die Urkunde über dieses "Geschenk" aber im 8. Jahrhundert gefälscht worden und somit alles erstunken und erlogen war, wissen wir in der jetzigen Zeit. Kaiser Konstantin hatte nämlich schon 313 mit dem Toleranzedikt von Mailand den Christen ihren Glauben erlaubt und wurde von Eusebius von Nikomedia am Totenbett getauft. Also nix mit Silvester.

 

Aber obwohl er selbst nicht daran teilnahm, ließ Papst Silvester beim Konzil von Nicaea 325 (ganz wichtiges Konzil für die katholische Kirche), das erste Glaubensbekenntnis festschreiben. Auch dürfte der erste Bau der Peterskirche in Rom über dem Grabmal von Petrus auf ihn zurück gehen. Damit hat er auch gleich die wichtigste Kirche der Gläubigen Christen initiiert.

Conclusio: Silvester wird viel angedichtet, aber gemacht hat er auch was.

 

Wieso wird an Silvester so viel Feuerwerk verschossen? Na klar, die schönste Variante ist: Das NEUE JAHR wird begrüßt. Die andere: In dieser Nacht ist die sogenannte "Wilde Jagd" unterwegs, wobei Jäger über den Himmel sausen und Männer, Frauen und Kinder, die eines gewaltsamen Todes oder unglücklich zu Tode gekommen sind, durch die Nacht brausen. Na eh klar, dass wenn man dieser Horde ansichtig wird, etwas Schlimmes passiert und dass da schon wieder die Germanen und ihre Gottheiten mitmischten. Daraus entwickelte sich natürlich, dass man diese Dämonen und bösen Geister mit allerlei Knall vertreiben möchte. So ist das Feuerwerk zu Silvester auch entstanden :D

 

5. / 6. Jänner: Ephiphaniasnacht

Der 6. Jänner wird als  Epiphanie = "Erscheinung des Herrn" bezeichnet. Das Wort epiphaneia kommt aus dem altgriechischen und bedeutet eben Erscheinung (Lateinisiert: epiphania). Somit wird an diesem Tag der Beginn des Lebens Christi unter den Menschen gefeiert. Dass an diesem Tag auch noch die 3 Weisen aus dem Morgenland an der Krippe vorbei gezwickt sind und gschwind Geschenke vorbeigebracht haben, ist ja ein katholisches Ding.

 

Da sind wir schon wieder bei einer sehr interessanten Geschichte gelandet! Im Matthäus-Evangelium 2,1-12 wird von Sterndeutern, die einen Stern am Himmel sahen und ihm folgten, gesprochen. Als der Stern über Bethlehem "stehen" blieb, waren sie mit großer Freude erfüllt und gingen in das Haus, wo Jesus mit Maria sich befand. Sie huldigten ihm und brachten Gold, Weihrauch und Myrrhe. Im Gegensatz zum Lukas-Evangelium 2,1-20, worin von den Weisen nix zu lesen ist, sondern nur von Hirten, die am Feld schliefen und dann kurz rüber schauten, gesprochen  und in diesem Evangelium lag Jesus in der Krippe.

 

Conclusio: Fraglich ob Krippe oder Haus und Sterndeuter, Magier, aber nicht Könige. Schon gar nicht drei.

 

Da das Matthäus-Evangelium eigentlich in griechisch verfasst wurde, werden die Sterndeuter auch mit magoi, das eigentlich Magier heißt und einem Zauberer und Sterndeuter gleichgesetzt wurde, bezeichnet. Aber die Griechen nannten auch die Priester des Zarathustrismus so. (Glaubensrichtung, die spätestens 600 v. Chr. entstanden ist und bis ins 1. Jahrtausend nach Christus in Persien und damit als Weltreligion großen Einfluss auf die "neuen" Religionen hatte).. Aber wie etwa einer der lieben Kirchenlehrer, die ganz wichtige Texte außerhalb der Bibel verfassten, schrieb Tertullian bereits im 3. Jahrhundert, dass die Weisen, wie Könige auftraten. Na und aus solchen Behauptungen wurden immer öfter einfach "Könige" formuliert und so weiter gegeben.

 

Obwohl meine heiß geliebte Legenda aurea (1264), die von Jacobus de Voragine in einfachem Latein geschrieben und noch dazu ein Bestseller wurde, spricht in dieser Episode noch von Philosphen, Weisen und Magiern.  Man findet sogar in den Katakomben in Rom (also in der absoluten Frühzeit des Christentums) Darstellungen mit vier Magiern. In manchen Schriften spricht man sogar von 12 persischen Anbetern und die Dreizahl beschränkt sich nur auf die Anzahl der Geschenke. Deshalb findet man auch in Kirchen oft das Jesuskind huldigende Menschen in persischer oder syrischer Kopfbedeckung wieder gegeben. In der lateinischen Tradition (nicht in der BIBEL) schließlich werden die drei Namen der Könige auch genannt: Kaspar, Melchior und Balthasar. Es haben sich natürlich da viele Deutungen, Geschichten und Legenden entwickelt und möglicherweise wird die Dreizahl auch auf die drei bekannten Kontinente umgelegt: Asien, Afrika und Europa. 

 

Martin Luther hat sich für den Protestantismus entschieden, die Anbeter einfach mit Weisen aus dem Morgenland zu betiteln. In der Kirche des Ostens haben sie soundso auch andere Lösungen gefunden: Sie haben vom ursprünglichen 6. Jänner mit dem Fest der Erscheinung des Herrn (und eigentlich ist da die Geburt gemeint), kurzerhand die Geburt auf den 25. Dezember gelegt. Dieser Tag war nämlich in der römischen Zeit die Geburt des SOL INVICTUS, des Sonnengottes und somit klärten sie das Ganze dahingehend: 25. Dezember Geburt Christi, Anbetung der Weisen und auch noch die der Hirten und schließlich am  6. Jänner die Taufe Christi im Jordan. Und Schluss mit dem ganzen Herumgeeiere.

 

In der katholischen Kirche kristallisierte sich schließlich die Tradition der Könige  Kaspar, Melchior und Balthasar als die ultimativen 3 heraus, die am 6. Jänner - auch als Dreikönigstag bezeichnet - dem kleinen Zwerg in der Krippe huldigten und damit auch basta.

 

Interessanterweise wurde schon im hellenistisch geprägten Ägypten die Nacht vom 5. auf den 6. besonders gefeiert, da die Jungfrau Kore den Sonnengott Aion gebar. Dass da die Tradition auf die Römer überschwappte, sie es ummodelten und dann die Christen einfach auch ihren Glauben auf diese besonderen Feiertage drückten, ist ja so vielen Fällen belegt: Erfunden hat es wer anderer, aber weil es schon so schön geht, wird da flugs mit ein bisserl Umbenennen alles übernommen.

 

 

 

Ojjjjj, das ist ein ganzes Hin und Her. Kompliziert, wenn man versucht aus Legenden Tatsachen zu formen und oftmals an der Logik scheitert und dann auch noch die Herkunft mancher Menschen verbiegen möchte. Aber in den Rauhnächten wird gleichzeitig die höchsten christlichen Feiertage mit dem keltischen und germanischen Glauben verbraten und vermengt und eigentlich weiß man da schon gar nimma, was man alles noch beachten soll, damit man es nach allen Seiten hin richtig macht und eh nix versemmelt. Aber der Glaube an die Rauhnächte und damit an die Dämonen, die ausgetrieben werden müssen oder ganz seltsame Sachen machen, passen halt nicht wirklich mit der Heilsgeschichte Jesu zusammen.

 

Wenn man dann noch in den Rauhnächten die Tiere sprechen hört, dann ist es sowieso ganz aus. Man stirbt sofort eines gewaltsamen Todes und ist dahin. Aber da muss man ja auch die Frage stellen: Wer weiß, dass gerade der Verblichene mit Tieren gesprochen hatte, wenn man sogleich tot umfällt?

 

Wieso auch keine Wäsche auf der Leine hängen durfte? Weil die wilden Reiter der wilden Jagd sie mitnehmen könnten und schließlich dann im kommenden Jahr es als Leichentuch über einen legen könnte. Auch wäre ein Verfangen in der frischen, aufgehängten Wäsche natürlich sehr hinderlich, denn dann würden die bösen Geister hier bleiben. Sie wären dann für das kommende Jahr in diesem Haus gefangen und treiben dann allerlei Schlimmes. Bis zum Tode. Nicht des Geistes, denn der ist ja schon tot, sondern des Besitzers.

Hach, wie sind die Rauhnächte schon wieder interessant! Conclusio: Wenn man auch im nächsten Jahr leben will, dann bitte in den Rauhnächten nicht Wäsche waschen und aufhängen, sondern einen Trockner benutzen; nicht in den Stall gehen, denn sonst könnte man die Tiere reden hören und schnell tot ausgestreckt daliegen und vor allem muss man viel Feuerwerk zu Silvester verschießen. Aja, und fest an die Heilsgeschichte glauben, denn damit versucht man die Rauhnächte ideologisch auszumerzen. Na und wenn sich beides mit einander vermengt und man an beides glaubt..... na dann hat man ein Glaubensproblem ;)